Automobil Industrie 09/2015, S. 18-19

Automobil Industrie 09/2015, S. 18-19

KEINE SCHNÄPPCHEN

Das Interesse, deutsche Mittelständler zu übernehmen, steigt. Ein Grund ist der zunehmende Kapitalüberschuss potenzieller Käufer. Der Wettbewerb um innovative Zulieferer dürfte dabei die Preise weiter hochtreiben.

Der Preis ist nicht das entscheidende Argument, um über den Wert einer Transaktion zu entscheiden. Doch von einer Schnäppchenjagd kann bei Unternehmensübernahmen derzeit auch nicht die Rede sein. Vor allem liegt dies an der großen Nachfrage seitens strategischer Käufer sowie Beteiligungsgesellschaften: Wegen ihrer opulenten Kapitalausstattung stehen sie momentan unter hohem Investitionsdruck. Zudem kämpfen viele Aktienunternehmen mit bereits eingepreisten Wachstumsversprechen, was auch das anorganische Wachstum forciert.
Auch eine Vielzahl nicht börsennotierter Unternehmen verfügt über hohe Barreserven. Die Konsequenz: Es gibt mehr Kaufinteressenten im Markt, und die Verhandlungsposition der Verkäufer hat sich weiter verbessert. Offensichtlich bieten Unternehmenskäufe gegenüber Immobilien und anderen Anlageformen ein weitaus interessanteres Bündel an Vorteilen.
Trotz erstmaliger Unterbrechung im April 2015 bestätigte der Aufwärtstrend der Transaktionsmultiplikatoren, im Small- (Unternehmensumsatz unter 50 Millionen Euro) und Mid-Cap (Unternehmensumsatz zwischen 50-250 Millionen Euro), dieses Bild eindrucksvoll. Aus dem viel zitierten „Cash is King“ wird in der aktuellen Situation immer mehr „Corporate is King“.

FIRMENWERTE ERHALTEN
Familienunternehmen sind für Investoren besonders attraktiv, da sie oft den bestmöglichen Gegensatz zu den Shareholder-Value-Konzernen darstellen. Inhaber, die ihre Firma selbst führen, haben tendenziell eine längerfristige Managementperspektive und vermeiden Entscheidungen, die nur kurzfristig den Gewinn erhöhen, aber auf Dauer schaden.
Empirische Studien zeigen allerdings auch, dass Firmenwerte oft dann zerstört werden, wenn die Folgegeneration des Gründers das Zepter übernimmt. Hier verfügen strategische Käufer aus der gleichen Branche in einer Nachfolgelösung zumeist über ein bewährtes Managementteam, das die Integration des Unternehmens vornimmt.
In der automobilen Zulieferindustrie zeigen die jüngsten Transaktionen wie die Übernahme von Getrag durch Magna, dass sich die Treiber auf Technologie- sowie Markterschließungen und weniger auf rein ökonomische Aspekte konzentrieren. Das produktorientierte Geschäft ist in vielen Bereichen bereits stark konsolidiert. Im Gegensatz dazu bleiben prozessorientierte Geschäftsmodelle weitgehend fragmentiert. Dies erklärt zum Teil auch, warum sich der Fokus in den letzten Jahren hauptsächlich auf technologiegetriebene Zukäufe gerichtet hat.

MEHR KÄUFER AUS SCHWELLENLÄNDERN
Seit 2014 hat sich nicht nur die Anzahl der M&A-Aktivitäten erhöht, sondern auch der durchschnittliche Transaktionswert pro getätigter Fusion und Übernahme, verursacht durch eine Vielzahl von Großtransaktionen. Zudem sind strategische Käufer aus Schwellenländern in den letzten Jahren gehäuft aufgetreten und werden auch künftig in der Zulieferindustrie eine wichtige Rolle bei Übernahmekämpfen spielen.
Als Spezialist für Unternehmensvermittlungen erwartet die Promecon GmbH in Deutschland weiterhin hohe M&A-Aktivitäten. So teilte erst kürzlich Starinvestor Warren Buffett mit, dass im Vergleich zu US-Unternehmen die Bedingungen in Deutschland für weitere Übernahmen günstig seien. Mittelständler geraten dabei zunehmend in den Fokus.

ATTRAKTIVITÄTSTREIBER TTIP
Auch das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der USA und der EU könnte die Anziehungskraft deutscher Mittelständler erhöhen. Denn gerade die aus TTIP resultierende Beseitigung der teuren Doppelprüfungen und der Produktanpassungen für den amerikanischen Markt dürfte Unternehmen dieser Größe in die Lage versetzen, mehr in den USA zu verkaufen. 
Dadurch bietet sich kleinen bis mittelgroßen Zulieferern die Gelegenheit, ihre durchschnittlich niedrigeren EBIT-Margen im Vergleich zu multinationalen Marktteilnehmern aufzubessern. Die Folge: Sie steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität und bieten sich so für mögliche Übernahmen an.
Prognosen deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum und die Niedrigzinsphase in Deutschland noch längere Zeit anhalten werden. Diese exogenen Bedingungen sollten die Unternehmen nutzen, um die eigene Ausrichtung sowohl aus Käufer- als auch aus Verkäufersicht zu überdenken und eventuell zeitnah aktiv zu werden.

Ursula Mayer, Business Development bei der Promecon GmbH