Indien als Substitutmarkt für China?

Indien als Substitutmarkt für China?

Indien bietet für deutsche Mittelständler große Potenziale als Absatzmarkt – aber auch als Produktionsstandort. Welche Faktoren Unternehmenslenker dabei unbedingt beachten sollten.

Indien ist die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt mit Englisch als Geschäfts- und Amtssprache und einem Absatzmarkt, der permanent wächst. Kein Wunder, dass das Land im Rahmen der Zeitenwende als großer Profiteur hervorgeht. Besonders begünstigend für das indische BIP-Wachstum wirken sich die demographische Entwicklung, steigende Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie die zunehmende Einbindung in die Weltwirtschaft aus.

So verlagerte beispielsweise Apple teilweise seine Produktion des iPhones von China nach Indien. Ziel war es, dadurch die Abhängigkeiten zu reduzieren und gleichzeitig den zweitgrößten Absatzmarkt für Smartphones direkt vor Ort bedienen zu können.

Deutsche Unternehmen in Indien

Auch aus Deutschland besitzen bereits 1.800 Unternehmen eine eigene Niederlassung in Indien – 600 produzieren sogar vor Ort. Hierzu sollte ergänzend gesagt werden, dass viele Unternehmen mehrere Standorte unterhalten. Bosch allein betreibt beispielsweise 18 Produktionsstätten sowie sieben Entwicklungs- und Anwendungszentren in Indien. Ein beliebter Standort ist dabei zum Beispiel Maharashtra. In dem zentralen Bundesstaat mit mehr als 100 Mio. Einwohnern sind ca. 1.000 deutsche Unternehmen aktiv.

Es zeigt sich also, dass Indien nicht nur als Absatzmarkt für deutsche Unternehmen attraktiv ist, sondern auch zunehmend als Produktionsstandort. Dennoch ist der eigenständige Markteintritt und -ausbau für viele Unternehmen oftmals zeitintensiv und kostspielig. Marktspezifisch Barrieren und unternehmerische Herausforderungen sowie interkulturelle Hintergründe erschweren eine rasche, strategische Markterschließung.

Die Gründe, die für eine Niederlassung in Indien sprechen, sind vielfältig. Deutsche Unternehmen, die in Indien mit einem lokalen Vertriebspartner arbeiten, stellen beispielsweise häufig fest, dass die Vertriebsziele nicht erreicht werden, während die Wettbewerber zunehmend Marktanteile übernehmen. Der Grund: Unternehmen mit eigener Niederlassung vor Ort agieren wesentlich erfolgreicher auf dem Markt. Voraussetzung ist jedoch, dass sie die passenden Mitarbeiter haben.

Was Sie über die indische Kultur wissen sollten

Ein indisches Team aufzubauen, setzt wiederum Wissen über die Besonderheiten der Kultur sowie lokale, marktspezifische Fachkenntnisse voraus. Es lässt sich sagen, dass sich viele chinesische und indische Verhaltensweisen ähneln. Ein Beispiel dafür ist die Vermeidung des Gesichtsverlusts oder auch das strenge Hierarchiedenken. So kann der Status einer Person oftmals daraus abgeleitet werden,

  •  wer aus der Gruppe als Erster das Wort ergreift und
  •  wer schlussendlich bei den wirklich wichtigen Dingen Position bezieht.

Die Kommunikation wird zudem mehr indirekt und beziehungsbasiert gepflegt. Daher ist „a little bit of a personal touch“ immer sehr willkommen. Alles, was als unhöflich verstanden werden kann, wird vermieden. Da persönliche oder familiäre Themen Bestandteil der Kommunikations- und Vertrauensebene sind, gleichen indische Unternehmen sehr stark dem Führungsstil familiengeführter Unternehmen. Und getreu dem Motto „you have to expect the unexpected“ handhaben Inder das Zeitmanagement eher flexibel und sind in der Regel im Multitasking stark.

Markteintritt durch Unternehmenskauf

Aus unserer Transaktionserfahrung ist der Schlüssel zum Erfolg in Indien zum einen ein gutes Netzwerk vor Ort. Zum anderen sollten Unternehmen die Möglichkeit haben, auf fähige Mitarbeiter zuzugreifen. So haben in Indien zwar viele Arbeitnehmer ein technisches Studium absolviert. Ein vergleichbares Ausbildungssystem beispielsweise für Anlagen-, Fertigungs-, Gießerei-, Industrie- oder Werkzeugmechaniker gibt es jedoch nicht. Gleichzeitig versuchen nur einige wenige indische Privatschulen, diesen Bedarf der produzierenden Unternehmen vor Ort aufzufangen. Die Folge: Neue Mitarbeiterstrukturen und Produktionsprozesse lassen sich vor Ort nur äußerst erschwert und zeitaufwändig aufbauen.

Zusammengefasst bedeutet dies für mittelständische Unternehmen, dass sich ohne ein vorliegendes Netzwerk kaum verlässliche Führungskräfte, Mitarbeiter, Geschäftspartner, Händlernetze oder Lieferanten gewinnen lassen. Das Problem ist jedoch: Die eigene Marktposition und das Vertrauen in ein Unternehmen vor Ort leiten sich davon maßgeblich ab. Dies alles kann ein strategischer Käufer bei der Übernahme eines etablierten, indischen Unternehmens zu seiner Marktpräsenz mitgeliefert bekommen. Ein weiterer Vorteil: Im Unternehmensverbund könnten durch Mitarbeiteraustausch zusätzlich Engpässe bei Fachkräften abgefedert werden.

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